Ratschläge für einen guten Redner

Viele Menschen verschen­ken ihre klugen Gedanken, weil es ihnen nicht gelingt, andere Menschen, Kollegen und Mitarbeiter verständlich und wirkungsvoll anzusprechen. Schuld sind Sprachhemmungen, technische, gestalterische und rhetorische Mängel oder einfach un­klare Gedanken. Eine gute Rede hängt nicht von dem WAS, sondern ebenso von dem WIE ab.

Bei einer Rede geht es nicht nur um den kultivierten Gebrauch der Muttersprache, sondern um das bestmögliche Ansprechen und Errei­chen des Zuhörers, anders ausge­drückt: um den  optimalen Kommuni­kationseffekt. Da für die verschiedenen Kommunikationssituationen, z. B. Gespräch, Diskussion, Vortrag u. ä. nur graduelle Unterschiede bestehen, gelten für alle tendenziell die gleichen Grundsätze. Was für das Schreiben gilt wie z. B: der Stil, gilt ebenso für das Sprechen.

Diese Sprachtips steigern die Wirkung Ihrer Rede. Beginnen wir mit der stofflichen Grund­lage des Sprechens, der Atmung. Auf zwei verbreitete Fehler sollten Sie achten, die die Wirkung Ihrer Sprechleistung beeinträchtigen.

Atmung  Der erste: Viele Menschen ’schnappen nach Luft‘, d. h. sie atmen – besonders, wenn sie sich ‚offiziell‘ äußern – laut hörbar ein. Das wäre eigentlich nicht schlimm. Nur entsteht dabei ein psy­chologisch unangenehmer Neben­effekt: Ein solcher Sprecher macht auf seine Zuhörer einen unsicheren, nervö­sen Eindruck.

Kurze Sätze  Und der zweite Fehler: Bemühen Sie sich nicht, unnötig lange Sätze in einem Atemzug zu sprechen. Bei vernünftiger Gliede­rung können Sie ohne Schwierigkeiten an vielen Stellen zwischenatmen. Vor Redebeginn sollten Sie tief ein­atmen, es kommt dem Sicherheitsge­fühl zugute.

Klangfarbe  Für die Wirkung der Sprechleistung spielt die Klangfarb Ihrer  Stimme eine beträchtliche Rolle. Vielfach kann man beobachten, daß Mitarbeiter und Vorgesetzte im persönlichen Gespräch durchaus angenehm wirken, plötzlich aber ‚ganz anders‘ reden, sobald sie etwas vortragen oder in einer Kon­ferenzdiskussion auftreten.  Was  ist der  Grund dafür? Der offizielle Anlaß und die veränderte Sprechsituation bringen –  wenn man nicht darauf achtet – ein Höherwerden der Stimme mit sich. Die gesunde, natürliche Sprechtonhöhe, die sogenannte Indifferenzlage, wird teilweise um mehrere Tonwerte über­schritten. Die Stimme klingt dann nicht mehr voll, angenehm und souverän, sondern  wirkt hart, dünn, angestrengt, teil­weise sogar heiser und abstoßend.

Abbau von Redeängsten  Warum  hat man Redeängste? In der Literatur gibt es eine zentrale Erklärung: Ist man in einer kleinen Gruppe von Freunden, kann man sich ohne  Schwierigkeiten verständigen. Doch  steht man vor einem mittleren bis großen unbekannten Publikum, meint man, es verschlägt einem die Sprache. Der Grund dafür ist, dass das Publikum, in ihren Augen, in der Anonymität verschwindet und man selbst auf dem Präsentierteller sitzt. Daher entsteht die Angst, sich zu blamieren bzw. die „Angst, ohnmächtig der Überzahl preisgegeben zu sein“.

Hemmungen entstehen auch, weil man befürchtet, dass das Publikum mehr über ihr Thema weiß als man selbst, dass ein Teil des Publikums nicht zuhört oder bei einem Versprecher lacht.

Artikulation  Über die Frage der Artikulation gibt es häufig Unklarkeiten. Man sollte die Lautung je nach Art des Textes und der Sprechsituation differenzieren. Verse z.B. sprechen Sie  mit größerer Artikulationsgenauigkeit als einen Fachvortrag, der auch in der Ausspra­che deutlicher sein muß als etwa ein Mitarbeitergespräch unter vier Augen. Es kommt also nicht darauf an, immer besonders ‚fein‘ und formvollendet zu artikulieren. Wichtig ist, dass Sie stets diejenige Stufe inner­halb der Lautung wählen, die dem Anlaß, dem Stoff und dem Hörerkreis im Sinne des günstigsten Kommunika­tionseffekt entspricht.

Zu den praktisch-rhetorischen Proble­men gehören auch die sogenannten ‚Flicklaute‘, ‚Gesten‘ und der ‚Blick­kontakt‘.

Flicklaute  Unter Flicklauten verstehen wir die verbreitete Erscheinung, Denkpausen regelmäßig durch das bekannte ‚Ääh‘ oder das Satzende mi ‚ja‘ oder ‚gel‘ akustisch zu illustrie­ren. Beginnen Sie noch heute, die­sen und ähnliche Flicklaute aus Ih­rem Sprachgebrauch zu verbannen!

Gesten  An anderen Stellen dieses Buches finden sich viele Hinweise zur Körpersprache, so z.B. auch zu Gesten. Diese sollen das gespro­chene Wort unterstreichen und glaub­hafter machen. Doch denken Sie daran, daß Sie kein Volksredner sind. Allzuviele

Gesten erwecken den Ein­druck der Schauspielerei. Wichtig ist, dass Sie Ihre  Zuhörer anzusehen, um aus ihren Blicken und Reaktionen zu erfühlen, ob sie interessiert sind oder ob  Ermü­dung und Langeweile droht.

Satzbau  Was den Satzbau angeht, so sollten Sie vor allem kurze klare und übersichtliche Sätze verwenden, um den Zusammenhang nicht zu verlieren. Oft bleibt man stecken, weil man mit­ten in einem Satz nicht mehr weiß, wie er begonnen hat und wie er zu Ende zu führen ist. Heinrich von Kleist gibt in seinem Aufsatz über die ‚Verfesti­gung von Gedanken beim Reden‘ dieses nützlichen Hinweise: „Je einfacher der Gedankengang, um so leichter merkt ihn sich der Redner und fassen ihn die Zuhörer auf…Die Führung der Gedanken soll stets eingleisig und gradlinig sein. Allzu feine Untergliederungen, Nebensätze und Nebengedanken verzetteln die Aufmerksamkeit und verhindern die Aufnahme des Ganzen.“

Fremdworte bzw. -begriffe  Es hat sich eingebürgert, fremde Na­men und Begriffe nach den Ausspra­chegewohnheiten des Ursprungslan­des auszusprechen. Die Computer­sprache ist dafür ein gutes Beispiel. Aber auch führungstechnische Be­griffe sind zum großen Teil dem Anlgo-Amerikanischen entlehnt, so z. B. die ganze ‚Management-by-Palette‘.

Alle Übertreibungen bei der Fremd­wortaussprache stören den sprachli­chen Zusammenhang. Es ist beispiel­weise unnötig, bei englischen Wörtern auch gleich die ganze gaumige Artiku­lationsbasis mit zu entlehnen, um so seine Fremdsprachenkenntnisse zu beweisen.

Manuskript  Es kann vielleicht schon morgen vorkommen,  daß Sie sich einem größeren Zuhörerkreis mitteilen müssen. Für viele Menschen ist der Vortrag, das Referat oder wie immer man es nennen will, ein Schreckge­spenst. Neben den stofflichen Proble­men, plagt man sich mit der Frage, ob es gelingt, sich im entscheidenden Moment richtig und gewandt auszu­drücken. Viele melden sich in Konfe­renzen und Versammlungen nur dann zu Wort, wenn sie ein fertiges Manu­skript aus der Tasche ziehen können. Man erinnert sich an schlechte Redner und fürchtet, sich zu blamieren.

Argumentation  Das entscheidende rhetorische Ele­ment beim Vortrag ist die Argumenta­tion, die erläuternde Begründung und Beweisführung zu Ihren Ansichten. Der Tatsachenbeweis stützt sich auf
Ereignisse oder Zusammenhänge, die nachprüfbar und unbestritten sind. Der Analogiebeweis argumentiert mit den Mitteln des Vergleichs. Bestimmte Argumentationsprobleme löst man durch indirekte Beweisführungen, die von den Folgen einer Erscheinung ausgehen. Methodisch kann die Argu­mentation sowohl deduktiv – vom All­gemeinen zum Besonderen – wie auch umgekehrt, induktiv vorgenommen werde. Die Beweisführung muß die vorhandenen Informationen voll nut­zen und dem Bildungs- und Bewußtseinzustandes des Zuhörers angepaßt sein. Dabei ist besonders auf angemessene Proportionen von konkreter und abstrakter Beweisführung zu achten.

Gliederung  Die Gliederung ist für die Wirkung Ihres  Vortrages wichtig. Bei einem Referat kommt es nicht nur – wie beim Bericht und der Be­schreibung – auf die sachliche Darstel­lung der Fakten an, sondern sie ver­langt vor allem eine systematische, logische und hinreichend umfassende Behandlung des betreffenden The­menstoffes. Diese Art des Vortrages zeichnet sich im wesentlichen dadurch aus, daß Zu­sammenhänge, Wechselwirkungen, kausale und funktionale Abhängigkei­ten aufgezeigt und  theoretische Ver­allgemeinerungen und Gesetzmäßig­keiten verdeutlicht werden. Am besten gehen Sie in wohl abgewogenen, fol­gerichtig aufgebauten Denkschritten an die Lösung der gestellten Vortrags­aufgabe heran. Dazu empfiehlt es sich, den Gesamtkomplex in sinnvolle Teilababschnitte bzw. Teilfragen zu gliedern, die bedeutungswichtigsten Teile hervorzuheben und Ihre Funktion als Elemente eines Ganzen analytisch darzustellen.

Die gute Glie­derung macht schon den halben Bei­trag aus. Auch beim Diskussionsbei­trag müssen Sie beachten, daß der gewählte Aufbau übersichtlich und folgerichtig ist, die verschiedenen Ge­danken in den richtigen Proportionen verabreicht werden und als Span­nungselement Steigerung enthält. Hierzu bietet sich der sogenannte rote Faden bzw. Leitgedanke an, der Ihnen den Vortrag erleichtert und Ihren Zu­hörern das Verstehen.

Stichwortzettel  Zu den praktisch-rhetorischen Proble­men gehört der Stichwortzettel. Dieses Hilfsmittel dient nicht nur als Gedächtnisstütze, es ist gleichzeitig das praktische Kurskonzept für den geplanten Beitrag. Er enthält Stich­worte, Zahlen und Zitate und gegebe­nenfalls die Kernaussage bzw. den Kernsatz Ihres Beitrages. Ein Blick auf den Zettel löst die notwendige ge­dankliche Assoziation aus und mit Hilfe des sogenannten Denk-Sprech­vorganges entwickeln Sie – sozusagen automatisch – die notwendigen Formulierungen. .

Eine abschließende Generalanforderung an jeden, der sich mündlich mit­teilt, lautet, seinen Zuhörern das Aufnehmen der geäußerten Gedanken leicht zu machen. Gegenüber der schriftlichen Mitteilung wählt man ja bewußt die höhere Form des mündli­chen Vortrages, weil man auf dieseWeise viel lebendiger, persönlicher, kontaktstärker und differenzierter auf seine Zuhörer einwirken kann.